Das Büro als wichtiger Ankerpunkt für kollaborative Arbeit?

Eigentlich liebe ich es, von zu Hause oder von unterwegs aus mit anderen zu arbeiten und kollaborativ ein Projekt nach vorne zu bringen. Und doch fahre ich fast jeden Tag ins Büro, um immer häufiger festzustellen: Ich brauche Tapetenwechsel, mir ist es hier zu eng. Was brauche ich eigentlich, um in einen guten produktiven Arbeitsprozess zu kommen?

Wie muss ein Büro für mich sein?

Diese Frage beschäftigt mich schon seit Wochen, weil ich für mich eine neue Arbeitsumgebung suche. Wäre eine offenere Raum-Atmosphäre vielleicht eine Alternative, z.B. Co-Working-Spaces?  Tatsächlich probiere ich immer wieder Co-Working-Spaces aus. Viele gefallen mir gar nicht so gut und von einem schwärme ich immer noch. Und gerade deshalb rückt bei mir die Frage ins Zentrum, welche Bedeutung das Büro oder der Ort der Wissensarbeit für Menschen hat.

Woher kommt der Begriff Büro?

Manchmal hilft es, sich zu erinnern, woher der Ursprung des Begriffs „Büro“ kommt und wie wir das Büro heute interpretieren, welche Bedeutung wir ihm zukommen lassen. Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Jan Teunen. Das Büro steht dabei im Mittelpunkt seiner Arbeit. Er ist Kulturphilosoph, berät seit vielen Jahren namenhafte Unternehmen, mittels innovativer und restaurativer Konzepte Unternehmenskulturen zur größeren Entfaltung zu bringen. Er erzählt gerne die Geschichte des Büros:

„Das Büro wurde 1179 erfunden, im Hochmittelalter. Ein Mönch stellte einige ungehobelte Bretter auf zwei Holzblöcke und legte seine Kutte darüber, um die Pergament- und Ledereinbände nicht zu beschädigen. Die Kutte hieß übrigens „burra“, so entstand das Wort „Büro“. Es war, wenn man so will, das erste Homeoffice, und es entstand, um das Kostbare zu schützen“ .

(Auszug aus diesem Interview im DerStandard, Mai 2022).

Das eigentliche Wesen des Büros

„Das Büro wurde erfunden, um das Kostbare zu schützen“, so Teunen. Es steht sinnbildlich für den Raum der Geborgenheit und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und Wünsche.

Das Büro in der heutigen Zeit

In der heutigen Zeit sind Büros oft Orte, die eher funktional eingerichtet sind, um die Arbeit möglichst effektiv zu halten. Da haben persönliche Bedürfnisse und Wünsche eigentlich wenig Raum – so scheint es. Auch wenn wir oft von New Work und neuen Raumkonzepten sprechen, ist die Art des Arbeitens oft noch sehr routinebehaftet und standardisiert. Daher rücken in vielen Raumkonzepten die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen ins Zentrum, um hier noch mehr produktive Arbeit zu ermöglichen. Und auch der Begegnungskommunikation kommt eine große Bedeutung zu.

Das Büro als Ort der Co-Creation

Aber warum zieht es so viele Menschen auch nach der Pandemie zurück ins Büro, obwohl der Ort eigentlich weniger das menschliche Bedürfnis adressiert? Warum fahre ich auch fast täglich zur Arbeit, setzte mich hinter meinen Bildschirm und fahre mittags wieder nach Hause, um von dort aus weiterzuarbeiten?

Der Hirnforscher Prof. Gerald Hüther hat dazu folgende wissenschaftliche Erklärung gefunden:

  • Die Dopamin-Achse im Kopf sprüht am deutlichsten, wenn die Qualität im Umfeld des Menschen stimmt.
  • Die Motivationsbereitschaft ist der Umgang mit anderen Menschen.

Ja, ich fahre ins Büro, weil ich mich gerne mit anderen Kolleg*innen direkt austausche und die Interaktion mag.  Das Büro kann also eine Art zwischenmenschlicher Tankstelle sein, welche mich motiviert. Wie wichtig Beziehungsarbeit und Kommunikation geworden sind, habe ich bereits in diesem Artikel beschrieben:

Das Büro und mein Autonomiebedürfnis

Für mich stelle ich aber fest, dass ich nach kurzer Zeit das Büro wieder verlassen möchte, weil es mich in meiner Schaffenskraft einengt und ich viel lieber in einem großen anregenden Raum sitze, und an Konzepten arbeite oder neue Ideen spinne. Am liebsten mag ich große, offene Räume mit Menschen, die kollaborativ an einer Idee oder an einem Projekt arbeiten.  Für mich ist das Büro ein zentraler Punkt gewollter Co-Creation.  Ein anderer zentraler Punkt kann mein Home-Office sein oder ein tolles Umfeld im Coworking-Space.

Neulich kommentierte eine Personalerin, dass Menschen, die im Home-Office wirklich produktiv und kreativ arbeiten können, ein ausgeprägtes Autonomiebedürfnis haben. Diese Menschen scheinen sich relativ gut selber organisieren zu können und verfügen über einen großen intrinsischen Gestaltungswillen. Ein interessanter Gedankengang, den ich noch um folgenden Aspekt ergänzen möchte: Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse. Die einen haben ein starkes Autonomie-Bedürfnis und für andere ist Struktur und Sicherheit wichtig. Es hat beides seine Berechtigung in einer modernen Arbeitswelt und für die unterschiedlichen Bedürfnisse kann das Büro eine gute Antwort sein!

Der Raum spricht eine eigene Sprache

Der Raum, in dem Wissensarbeit stattfindet, hat aus meiner Sicht maßgeblichen Einfluss auf uns. Vielleicht müssen wir wieder lernen, den Raum für uns zu erkennen, um darin das volle Potential zu entwickeln. Im Home-Office spricht der Arbeitsraum, das Arbeitsumfeld eine andere Sprache als im Büro. Und diese Sprache muss man lernen und sie muss auch zu mir passen. So gesehen ist für den einen Menschen das Home-Office der geeignete Ort zu arbeiten und für andere weniger, weil die Bedürfnisse ganz andere sind.

Mittlerweile kann die Wissenschaft nachweisen, wie stark die Umgebung, also Räume und Einrichtung, Einfluss auf unser Denken und Fühlen nehmen. Denn wenn der Raum oder die Umgebung Einfluss auf unser Denken nimmt, dann hat es eine unmittelbare Konsequenz auf Menschen, die im Home-Office keinen guten Arbeitsplatz für sich haben. Oder für Menschen, die ein kreatives Umfeld benötigen und ein kleines weißes Einzelbüro als Inspirationsbremse erleben.  Die Philosophen Clark & Chalmers haben hierzu eine Theorie entwickelt: die Extended Mind Theory (EMT). Die Theorie beweist, dass unser Denken nicht im Gehirn aufhört. Vielmehr gehen wir kognitive Verbindungen mit unseren Umgebungen ein. Das ist ein sehr spannender Ansatz.

Selbstcheck: Was brauche ich, um gut zu arbeiten?

Schreib dir einfach mal auf, was du brauchst, um dich wirksam bei der Arbeit zu fühlen. Warum fährst du regelmäßig ins Büro oder warum bleibst du lieber zu Hause und arbeitest rein digital kollaborativ?

Fazit

Das Büro wird zukünftig vielmehr zu einem zentralen Ort der Begegnung und der Kreation. Menschen wollen zusammenarbeiten. Dazu braucht es neue Raumkonzepte und Ansätze guter Kollaboration, die vor allem die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen.

Herzliche Grüße, Steffi Meise


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