Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Veränderung der Arbeitswelt und war immer sehr positiv eingestellt und habe nur darauf gewartet, endlich starten zu können. Doch in den letzten Monaten erwischte ich mich immer häufiger,  wie ich bei mir selber dachte: „Und jetzt? Wie geht es weiter? Was kann ich konkret unternehmen?“

Aber worauf habe ich gewartet?

Auf eine offizielle Genehmigung durch die Chefetage? Auf einen Masterplan, der agile Praktiken mit garantierten Erfolg ins Unternehmen bringt? Auf mein Team, das begeisternd „Hurra“ ruft und motiviert immer mehr von agilen Denk- und Handlungswerkzeugen erfahren und ausprobieren möchte?

Ich bin einfach in die Gewohnheitsfalle getappt.

Mein Arbeitsumfeld ist zum großen Teil vom klassischen Management geprägt und das ist auf Basis der Unternehmensentwicklung her betrachtet erstmal ok.

Aber aus meiner ganz persönlichen Sicht sollte die Leitungsebene meines Arbeitgebers – gleich aus welchem Führungslevel – mehr Impulse für das Thema „Neue Arbeits- und Führungswelten“ geben und das Thema pragmatisch auf Unternehmensbelange herunterbrechen.

Ja, und das bedeutet auch, dass dadurch etablierte Normen und Verhaltensweisen hinterfragt werden. Alle Beschäftigten müssen sich also aus ihrer liebgewonnenen Komfortzone herausbegeben.

Warum sollten sie das aber tun? Was haben sie davon?

Wenn ich also mit neuen Ideen rund um die „moderne Arbeitswelt“ um die Ecke komme, werden die einfach abgeschmettert und als unnötig und umständlich abgetan. Schließlich funktioniert ja alles gemäß dem Motto: „Never change a running system.“

Nochmal: Ich bin in die Falle getappt und habe es nicht gemerkt und mich einfach ausbremsen lassen, ohne es zu merken, dass ich doch etwas bewegen kann.

 

Einfach mal machen.

Immer wenn du etwas bewegen und verändern möchtest, gibt es Befürworter, Zweifler und Bremser.

Ich habe versucht, Menschen von meiner Idee zu überzeugen.

Aber Veränderung schürt Angst, dass die neue Alternative schlechter sein könnte als das, was wir jetzt bereits haben.

Doch als Führungskraft kann ich etwas bewirken.

Ich habe die Befugnis, meinem Team Aufgaben, Abläufe und sonstige Dinge vorzugeben.

Also kann ich doch auch kleine agile Impulse oder Tools einbauen, die uns helfen können, ohne die Wörter wie Change, Veränderung, moderne Praktiken usw. in den Mund zu nehmen.

Interessanterweise hat Lars Vollmer, Mitbegründer des Netzwerks „IntrinsifyMe“ – das führende Netzwerk für neue Arbeitswelten – in der Podcastfolge „Let´s talk about Change, baby!“  genau diesen Punkt sehr provokativ angesprochen und aufgefordert, ins Handeln zu kommen.

Das erfordert bei mir als Führungskraft Klarheit.

Ich muss also wissen, was ich mit dem Einsatz von etwas Neuem bewirken will und ich sollte mich gut vorbereiten und die Einführung sowie Umsetzung konsequent und offen begleiten.

Bei meinen Neuerungen, die ich ausprobieren wollte, ging es dabei um kleine Impulse, die ein offenes Mindset fördern sollten. Sie sollten Mitarbeiter zu neuen Ideen stimulieren, ohne die Organisation in ihrem Grundsystem zu erschüttern.

 

Praktiken, die auch im traditionellen Unternehmensumfeld umsetzbar sind

Es gibt eine Menge agiler Praktiken, die so wie sie sind oder auch modifiziert relativ einfach in traditionelle Organisationen eingebaut werden können. Dafür braucht es keine Ankündigung zur Einführung einer neuen Technik. Niemand muss ankündigen: „Wir machen jetzt auch auf´agil!“.

Viele Brückenpfeiler gibt es schon in traditionellen Unternehmen.

Im Qualitätsmanagement gibt es den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) oder in der Personalentwicklung die jährliche Mitarbeiterbefragung.

Auf diese Brückenpfeiler lässt sich aufbauen und bei näherer Betrachtung Praktiken ausprobieren, die die Eckpfeiler in den Grundfesten unterstützen. Nur ist vielleicht der Weg ein anderer. Die Grundrichtung bleibt dabei.

Hier eine Übersicht von Praktiken und Denkansätzen, die du in unterschiedlichen Aufgabenfeldern Team- und/oder Abteilungsübergreifend ausprobieren kannst.

 

Übersicht von agilen Praktiken & Denkansätzen
  1. Wissenshunger – Ziel: Fachlicher Austausch der Mitarbeiter bei einem Mittagessen und aktives Networking
  2. OpenFriday – Ziel: Fachlich übergreifender Mitarbeiteraustausch mit Themen, die von Mitarbeitern initiiert werden
  3. Retrospektive – Ziel: Gutes sichtbar machen und verbreiten und aus weniger guten Ergebnissen lernen und sich verbessern
  4. Disney-Methode – Ziel: Kreativität fördern
  5. Kompetenzteams/ Interessengruppen – Ziel: abteilungsübergreifender Mitarbeiteraustausch zu einem Kompetenzbereich, um das Themenfeld im Unternehmen weiterzubringen
  6. LeanCoffee: Ziel: offener kollegialer Wissensaustausch
  7. Design-Thinking – Ziel: Ideen bei komplexen Problemen entwickeln
  8. Daily-Stand Up – Tägliche Synchronisierung des Teams
  9. Das 12 – Geschworenen Prinzip – Ziel: Überprüfung, ob eine Zukunftsidee tragfähig ist

 

Praxistipp.

Erkläre das Vorgehen der Neuerung, die du einführen möchtest.  Wie funktioniert das genau und was sind deine Erwartungen an die Mitarbeiter? Lass dich auf keine Diskussion über Sinn und Unsinn ein. Begleite diesen Part und reflektiere die Umsetzung nach einer definierten Zeit für dich und gemeinsam mit deinen Mitarbeitern.

 

Wenn das Team erlebt, dass die Neuerung etwas gebracht hat, werden sie das weiterhin unterstützen, vielleicht sogar ergänzend Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen einbringen.

Wenn das Team zunächst umgesetzt hat und während der Umsetzung  entschieden hat, abzubrechen, ist das zunächst ok. Gehe gemeinsam mit Ihnen in die Reflektion. Woran hat es gelegen? Was ist grundsätzlich gut gelaufen und was weniger? Wenn das Negative überwiegt, dann ist es eine gute Entscheidung, die Neuerung wieder einzustellen.

 

Agiles Praxisbeispiel: Wissenshunger

Zweimal im Monat eine einstündige Mittagspause. Ein Kollege hält einen 15-minütigen Impuls zu einem aktuellen Thema aus einem Projekt oder einer neuen Herausforderung oder einem Trendthema. Im Anschluss kommen die Kollegen in einen Austausch und diskutieren hierüber.  Die Kosten des Mittagessens (Pizza/Salat) übernimmt das Unternehmen.

 

Warum „Wissenshunger“?

Je größer das Unternehmen wird, umso mehr soziale Inseln entstehen. Kollegen fokussieren sich auf ihre Arbeitsbereiche und kennen die anderen Kollegen und ihre Aufgaben & Themen nicht. Man sieht sich vielleicht morgens im Vorbeigehen und grüßt sich, das war’s aber schon.

Der Wissenshunger ermöglicht einen lockeren fachlichen Austausch unter Kollegen, die man noch nicht so gut kennt.

Die Umsetzung
  • Themen und Speaker festmachen: Hier heißt es betriebsintern viel herumfragen und auch das eigene interne Netzwerk aktivieren; Abteilungsleiter, Führungskräfte, Fachexperten fragen
  • Raum organisieren und Videokonferenz einplanen.
  • Für den „Wissenshunger“ werben! Erzählt es überall; hängt die Info ans „schwarze Brett“, tragt es ins Intranet ein
  • Während der Durchführung nach weiteren Ideen für das Format fragen.
  • Eine Austauschplattform einrichten (z.B. eine Gruppe  im Intranet).

 

Herzliche Grüße, Stefanie Meise


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