Sprache der Arbeit – Schönsprech in der neuen Arbeitswelt.

Ist Schönsprech das neue Business-Deutsch?

In der Rubrik #Was habe ich gelernt? schaue ich mir sprichwörtlich selber über die Schulter und werfe dabei auch einen Blick in den Rückspiegel. Heute beschäftige ich mich mit dem Begriff „Schönsprech“, der mir um die Jahreswende unter einem Blogpost bei der Zeitschrift „Neue Narrative“ ins Auge fiel. Es ist nur ein Wort, aber das faszinierte mich. Auch weil mir im ersten Augenblick gar nicht so deutlich wurde, was der Kommentator eigentlich zum Ausdruck bringen wollte. Deshalb habe ich versucht, näher hinzusehen und möchte mit euch einfach meine spontanen Gedanken teilen. Wie immer in dieser Rubrik: Das sind einfach meine unfertigen Gedanken und Überlegungen.

Einfache Sprache: Der Jahresrückblick

Die Leute der Neuen Narrative (NN) stellten die nachfolgenden Bilder in einem Post auf LinkedIn und Instragram online. In diesem bildhaften Jahresrückblick wollten sie darstellen, was unternehmerisch gut und weniger gut gelaufen ist. In einfacher Sprache. Schnörkellos, ohne Kanten und auf den Punkt.

Die Fragen „Was ist gut gelaufen?“ und „Was ist weniger gut gelaufen?“ sind in der modernen und agilen Arbeitswelt wirklich etablierte Fragestellungen, die Reflexion und den Lernprozess unterstützen. Es geht also nicht darum, Nebelkerzen zu werfen oder etwas  zu verschleiern.

Sprache der Arbeit_Stefanie Meise_Schönsprech
SCHÖNSPRECH“ – Dieses einzige Wort kommentierte ein Leser.

Was hat das nun mit Schönsprech zu tun?

Ehrlich gesagt, war ich mir unsicher, welche Bedeutung das Wort im eigentlichen Sinne überhaupt hat. Bei meiner google-Recherche komme ich nun wirklich nicht um das Buch „Schönsprech – Wie uns Politiker und Lobby das Blaue vom Himmel erzählen“ von Reinhart Schlüter vorbei. In diesem Buch geht es um die Verformung der Sprache sowie darum, dass reale Verhältnisse durch die veränderte Sprachanwendung zunehmend vernebelt und beschwichtigt werden. Kann ich das Wort „Schönsprech“ vereinfacht als Spachverformung definieren? Schlüter bezeichnet populäre Wortschöpfungen wie Minuswachstum, Jobwunder oder Sparpolitik als Schönsprech und unterstellt, dass diese Wortkreationen dazu dienen, die Wirklichkeit zu verzerren oder wortkosmetisch zu beschönigen.

Nur wenn ich mir den Blogbeitrag inhaltlich ansehe, kann ich kein Schönsprech erkennen. Eher ist erkennbar, dass mit Objektives Key Results (OKRs) gearbeitet wurde. Und offensichtlich besteht ein Anspruch auf Transparenz, sonst würde die Zeitschrift Neue Narative diesen Beitrag so auch nicht veröffentlichen – er zahlt auf ihre Unternehmenswerte und Policy ein.

Vielleicht war es dem Kommentator aber inhaltlich zu einfach? Vielleicht konnte er diesen Jahresrückblick – eine Art Management Review  light – in wenigen einfachen Sätzen  nicht wirklich ernst nehmen?

Verändert sich die Sprache?

Ja, die Sprache verändert sich stetig, darin sind sich die Gelehrten einig. Wir selber merken es auch: die Sprache spiegelt einen bestimmten Zeitgeist wider. Früher wurde anders gesprochen und auch anders geschrieben als heute. Wenn Goethe früher etwas merkwürdig fand, dann war es für ihn nicht seltsam oder komisch, sondern einfach nur etwas, das es wert war, sich zu merken. Mehr dazu findest du in diesem Blogpost. Unsere Sprache wird von so vielen Trends und Entwicklungen beeinflusst. Dass sie sich permanent entwickelt, können wir alle selber miterleben. Aktuell gendern wir, was das Zeug hält und diskutieren über den Sinn und Unsinn davon.

Sprache hat sich schon immer geändert und wird es auch immer tun – ob wir es wollen oder nicht.

Harte vs. weiche Sprache

Könnte es sein, dass die Sprache in der Arbeitswelt immer weicher wird?

In einem Meeting begegnete mir neulich auch so etwas wie Schönsprech. Als Team suchten wir nach einem neuen innovativen Thema und sammelten dazu erste Ideen. Diese Ideen waren leider dem vergangenen Thema sehr ähnlich. Nun kommentierten einige Teammitglieder im Vorfeld, dass die letzten Ideen nicht zum Erfolg führten. Innerlich merkte ich meinen aufkommenden Widerstand. Wenn die letzten Themen nicht zum Erfolg führten, warum machen wir dann genauso weiter wie vorher? Was macht uns denn jetzt so sicher, dass es erfolgreich werden könnte?

Diese Fragen habe ich dann in etwas grober Formulierung gestellt. „Die letzten beiden Themen haben wir schlecht umgesetzt, wie kommen wir denn jetzt darauf, dass neue Themen bei unveränderten Bedingungen zum Erfolg zu führen?“ Da wir ja noch in der Phase des Sammelns waren, wurde mein Statement auch auf das Themenboard aufgenommen und wie folgt beschrieben: Es bedarf einer Reflexion der vorherigen Kampagnen. Gut – so neutral kann man das auch beschreiben. Gleichzeitig merkte ich, dass mir das zu weich war. Ich wollte Klartext und die Kommentierung nahm sprichwörtlich den Wind aus den Segeln.

Gewaltfreie Kommunikation

In der modernen Arbeitswelt hat die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marschall B. Rosenberg längst Einzug gehalten. GfK ist ein Sprachmodell, das die zwischenmenschliche Kommunikation in den Mittelpunkt rückt. Es geht darum, die Kommunikation achtsamer und freudvoller zu gestalten und miteinander in Verbindung zu gehen.  Die GfK möchte die Härte der Sprache aus dem Spiel nehmen.

Denn: Sprache wirkt. Immer. In der harten Kommunikation sind oft Bedürfnisse versteckt, die unbefriedigt sind. Daher lohnt es sich, die eigene Sprache und das Gesagte des Gegenübers zu reflektieren. Soulbottles geben dazu ganz praktische Einblicke, wie die GfK-Methode bei ihnen Einzug gehalten hat.

Manchmal denke ich, je mehr ich versuche die GFK-Methode anzuwenden, umso weicher wird meine Sprache. Hat sie dann vielleicht auch etwas von Schönsprech?

Ein Spiegel des Intellekts?

Ich mag die leichte Sprache. Vielleicht wird die Leichtigkeit als Schönsprech empfunden, weil sie sehr einfach anmutet. Jeder, der sich mal die Mühe macht, einen komplexen Sachverhalt vereinfacht darzustellen, weiß, wie herausfordernd diese Verdichtung sein kann. Es geht darum, den Kern zu kommunizieren und dabei dem Anspruch auf Seriosität gerecht zu werden. Mir hat der Kommentar nochmal verdeutlicht, wie schmal der Grat ist, ernstgenommen zu werden. Sind lange, verschachtelte und mit Anglizismen und Fremdwörtern gespickte Sätze Ausdruck von einem hohen Intellekt? Da würde ich mal dagegen halten wollen. Oder sind eckige und kantige Ausdrucksformen ein Spiegelbild einer charismatischen Persönlichkeit? Oder von einer konfrontativen Persönlichkeit? Auch das würde ich nicht unbedingt bestätigen.

Fazit

So einfach ist es also nicht mit der leichten Sprache. Bewerte Menschen und Organisationen nicht negativ, herablassend, nur weil sie eine einfache und bewusste Ausdrucksform wählen. Sie ist eine Ausdrucksform von vielen Möglichkeiten. Und: Einfache Sprache erreicht viele Menschen.

Herzliche Grüße, Steffi Meise


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.