Warum lernen so wichtig wird!
Die Arbeitswelt verändert sich immer rasanter und komplexe Probleme treten immer häufiger auf. Das vorhandene Wissen in Unternehmen reicht immer weniger aus, um die passenden Antworten zu finden. Aber, wenn das Wissen immer weniger zur Lösungsfindung beiträgt, dann muss sich die betriebliche Weiterbildung hinterfragen.
Es reicht nicht mehr die Lerninhalte, die Themen modern auszurichten. Es braucht andere Ansätze als Lernen durch Seminare oder E-Learning zum Wissensaufbau auszuwählen. Lernen in Unternehmensorganisationen muss sich weiterentwickeln, um auch auf komplexen Fragegestellungen Antworten zu finden.
Für mich ist das teilweise schwer greifbar.
Was unterscheidet komplizierte Probleme von komplexen Problemen? Und was bedeutet das konkret für Lernen in Unternehmen? Was bedeutet das auch für eine moderne Mitarbeiterentwicklung?
Ich vage mich an einen Erklärungsversuch, weiß natürlich, dass ich eine praktikable Blaupause kaum skizzieren kann. Es hilft aber, sich gedanklich damit auseinander zu setzen und neue Gedanken zuzulassen.
Komplziert vs komplex
Unter bekannten Future Leadership Experten gibt es eine weitgehende Übereinstimmung, dass es notwendig ist, zwischen komplizierten und komplexen Systemen oder Problemstellungen in Unternehmen zu unterscheiden. In diesem Denkansatz wird gerne von blauen und roten Problemen gesprochen. Blau steht für kompliziert und rot für komplex.
Diese Unterscheidung hilft bei der Lösung von Problemen, bei modernen Führungsverhalten und beim betrieblichen Lernen.
Mit Lernen baue ich Wissen für blaue Fragestellungen auf. Ein blaues Problem entsteht, wenn ein anderer ein blaues Problem hat, für welches ich noch kein Wissen zur Lösung habe. Wenn ich das Problem lösen oder den Wissensdefizit ausgleichen will, muss ich lernen.
Grund 1: Betriebliche Weiterbildung ist zu stark einseitig ausgerichtet
Lernen in Betrieben findet überwiegend wissensorientiert statt. Ein Problem entsteht im Arbeitsprozess und wir prüfen nach, wie sich das lösen lässt. Zum Beispiel in Organisationshandbüchern oder Checklisten. Haben wir keine Antwort auf das Problem bzw. auf die Art der Probleme, so werden Mitarbeiter auf Seminare geschickt, damit sie sich das Fachwissen aneignen können. So wird wissen aufgebaut. Das gilt auch für verhaltensorientierte Fragestellungen.
Das Wissen ist aber nur bei der Lösung von blauen Problemen hilfreich.
Wissen löst keine komplexen Probleme.
Um komplexe Probleme zu lösen braucht es ein anderes Umfeld.
Lernen in komplexen Organisationen findet durch Experimentieren statt. Ich muss eine Idee entwickeln, die das Problem löst. Und die Idee kann mir mit Wissen nicht eingetrichtert werden, ich muss von selber darauf kommen.
In komplexen Umgebungen stoße ich immer wieder auf fremde, externe Ideen.
Eine fremde Idee kann mir Probleme bereiten und ich muss jetzt eine eigene Idee dagegen stellen, um das Problem zu lösen.
Eine Leitfrage könnte dabei sein: „Was ist der möglichst beste Schritt“? Experimente setzten von Menschen eine Veränderungsbereitschaft, ein „Machertum“ voraus.
Grund 2: Fehlende Identifizierung von Talenten und Machern bei der Mitarbeiterentwicklung
Im Gegensatz zu blauen Problemen existiert bei roten Problemen keine Blaupause.
Wenn ich experimentiere, muss ich mich entscheiden. Was ist der nächste Schritt, die nächste Konsequenz? Mitarbeiter, die rote Probleme lösen, handeln sehr stark „aus dem Bauch heraus“, intuitiv. Sie haben eine Ahnung wie die Lösung funktionieren kann. Und die Kollegen trauen ihnen die Lösung wirklich zu.
Üblicherweise gibt es nicht viele Mitarbeiter in Unternehmen, die diese Fähigkeiten mitbringen.
Daher steht bei roten Problemen die Frage im Fokus: Wer im Unternehmen kann das Problem lösen?
Lernen in blauen Organisationen bedeutet: Wissen für blaue Probleme aufbauen. Im Vordergrund steht die Frage „Wie?“.
Es ist schon teilweise dramatisch, was in blauen Unternehmen passiert: Mitarbeiter sehen ein Problem. Und sie erkennen es auch als ein Problem. Und dann? Sie suchen nach der Anleitung.
Wo ist die Checkliste, die mir aus der problembehafteten Situation raushilft?
Häufig wird in solchen Situationen überhaupt keine Unterscheidung getroffen, ob es ein blaues oder rotes Problem gibt. Reflexartig werden die blauen „Register“ gezogen.
Unternehmen investieren derzeit Unsummen in Lernmanagementsysteme, um die Weiterbildung zu digitalisieren. Das macht blaues Lernen mobil und flexibel. Diese Entscheidung unterstützt nur das blaue Lernen und hat mit komplexen Fragestellungen nichts zu tun.
Also: Mach´s mir kompliziert?
Was bedeutet das für die betriebliche Weiterbildung?
Ist das blaue oder rote Lernen das Beste? Das ist die falsche Frage.
Die Frage müsse heißen: Welches Problem liegt vor? Ein blaues Problem oder ein rotes Problem? Benötige ich Wissen oder das Experiment „als Schmierstoff“ für die Lösung.
Es bedarf auf jeden Fall einer Lernkultur, die blaues und rotes Lernen berücksichtigt und ausdrücklich unterstützt.
Denn Unternehmen brauchen beides. Nur ist das Lernen für komplizierte Fragestellungen einfach normal und etabliert. Aber dafür wie Lernen für komplexe Fragestellungen funktioniert, gibt es kaum praktische Erfahrungen.
Was ist richtig? Dann das Lernen danach ausrichten.
Lernende Organisation heißt: Ein Unternehmen muss bereit sein, Experimente stärker zuzulassen und auch kleine überschaubare Risiken einzugehen. Also auch Fehler zu machen bzw. aus ihnen zu lernen. Und immerfort ausprobieren und machen.
Grund 3: Fehlende Lernkultur für neues Lernen in Organisationen
Ich brauche ein ganz anderes Rollenverständnis bei roten Fragestellungen. Ein Trainer bei komplexen Problemen kann mir kein Wissen zur Verfügung stellen. Er ist aber als Mentor, Sparringspartner sehr wichtig. Er ist Begleiter, Feedbackgeber und baut mich auf, um wieder neu zu üben, zu reflektieren und auszuprobieren.
Als Führungskraft und als Trainer muss ich ein Denken entwickeln, so dass es der Komplexität des roten Problems angemessen ist. Ich muss mich fragen, welches Problem hier vorliegt, blau oder rot?
Und dann: Was ist der möglichst beste Schritt, um diese Probleme zu lösen?
Was bedeutet das für das betriebliche Lernen? Egal ob es klassische Methoden wie Präsenstraining, Seminare, Vorträge sind. Sie lösen kein komplexes Problem. Sie bauen Wissen für Probleme in einer blauen Welt auf. Das gilt auch für E-Learning, Videos, Podcasts. Diese onlinebasierten Tools können zum Denken und Neudenken anregen, sind aber wissensorientiert. Zum Beispiel: Produktschulung, Gesetzesänderung etc.
Bei komplexen Problemen bedarf es ein anderes Lernen, nämlich das Experimentieren und das Üben, die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen, das Reflektieren, Verwerfen und Neuausrichten von Erfahrungen und den Austausch im Kollegenkreis.
Dieses experimentelle Umfeld wird auch dadurch in Unternehmen geschaffen, indem dieses ausdrücklich unterstützt eingefordert wird, z.B. durch sog. „OpenFriday“, bei dem Lernen und aktiver Mitarbeiteraustausch innerhalb der Arbeitszeit ermöglicht wird. Dann findet Vernetzung statt. Es stoßen Menschen mit ähnlichen Ideen aufeinander oder bereichern sich, auch wenn sie kaum inhaltliche Arbeitsüberschneidungen haben.
Zusammengefasst.
In einer Organisation, die überwiegend auf blaues, vorhandenes Wissen fußt und auch darauf angewiesen ist, findet Lernen so statt, dass Wissensdefizite abgebaut werden. Das kann mit klassischen Weiterbildungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen geschehen.
Diese Maßnahmen versagen jedoch in komplexen Organisationen, sie sind wirkungslos. Und die Führungskraft und der Personalentwickler müssen sich bewusst werden, dass sich betriebliches Lernen immer stärker ausdifferenziert, je nachdem ob ein kompliziertes oder ein komplexes Problem vorliegt.
Derzeit werden Unsummen in E-Learning und Lernmanagementsysteme investiert. Diese unterstützen die Flexibilisierung von blauer Weiterbildung. Mitarbeiter lösen mit diesen Maßnahmen aber keine komplexen Probleme.
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